Seit Jahrzehnten ist die Versorgung mit Erdgas in Deutschland sicher. Mit dem Krieg in der Ukraine wächst die Sorge, ob dies auch in Zukunft so bleibt. Woher stammt das Erdgas? Wer wird beliefert, sollte das Gas tatsächlich knapp werden? Was hat es mit Flüssiggas auf sich? Wir beantworten diese und weitere Fragen rund um das Thema Versorgungssicherheit.
Was bedeutet die Frühwarnstufe?
Die Ausrufung der Frühwarnstufe erfolgt im Rahmen der Krisenvorsorge entsprechend den Regelungen des Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland und ist ein wichtiger Schritt, um insbesondere auf Bundesebene frühzeitig Vorkehrungen mit den Fernleitungsnetzbetreibern für eine potenzielle Gasmangellage zu treffen.
Die Ausrufung der Frühwarnstufe bedeutet jedoch noch nicht, dass bereits ein Versorgungsengpass vorliegt. Es geht lediglich um die vorsorgliche Überprüfung der Mechanismen, falls es zu einer kritischen Situation in der Gasversorgung kommen sollte. Die Frühwarnstufe sieht hierzu eine engmaschige Abstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren der Gaswirtschaft, des Bundeswirtschaftsministeriums und der Europäischen Kommission vor. Der Gashandel wird jedoch nicht eingeschränkt.
Pfalzgas ist sich als Gasversorgungsunternehmen ihrer hohen Verantwortung zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in der Region bewusst und bereitet sich auch auf mögliche Krisensituationen gewissenhaft vor, um organisatorisch und prozessual auf eine Gasmangelsituation reagieren zu können. Hierzu wurde im Rahmen der Krisenvorsorge Gas sowie im Wege der kontinuierlichen Umsetzung des Technischen Sicherheitsmanagements (TSM) bereits ein Krisenstab bei Pfalzgas eingerichtet.
Das Ausrufen der Frühwarnstufe des Notfallplans Gas war ein folgerichtiger Schritt des Bundeswirtschaftsministeriums auf die Forderung Russlands nach einer Bezahlung der Gasimporte nur noch in Rubel, weil hierdurch grundsätzlich die Gefahr möglicher Liefereinschränkungen oder sogar Lieferausfälle besteht. Verschärft sich die Situation, kann die zweite Krisenstufe, die „Alarmstufe“ einberufen werden. Erst jedoch mit dem Ausrufen der dritten Krisenstufe, der „Notfallstufe“, erfolgen Eingriffe in den Gasmarkt. Diese tritt in Kraft, wenn es tatsächlich zu erheblichen Störungen der Gasversorgung kommt. In diesem Fall treten die Bundesnetzagentur oder die Bundesländer als Lastverteiler ein und legen fest, welche Kunden in welchem Umfang weiter versorgt werden.
In jedem Fall sind Haushaltkunden und soziale oder medizinische Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser durch gesetzliche Bestimmungen besonders geschützt. Von einer Kürzung von Liefermengen wären zunächst also nicht geschützte Letztverbraucher (in der Regel größere Industrieunternehmen) betroffen. Diese Kunden werden von Pfalzgas im Falle einer drohenden Kürzung unverzüglich informiert und wurden bereits im Vorfeld zur Abstimmung der notwendigen Maßnahmen angeschrieben.
Wir stellen zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Beeinträchtigung der Lieferungen bzw. Gasflüsse in unserem Netzgebiet fest.
Woher stammt das Erdgas von Pfalzgas?
Der reine Handel und der Import von Gas erfolgen grundsätzlich getrennt, das heißt der Handel hat keinen Einfluss auf die physikalischen Gasströme. Als regionaler Erdgashändler hat Pfalzgas keine Importverträge, also auch keine Verträge mit Russland sowie keine Handelsverträge mit russischen Lieferanten. Dennoch: Aktuell liefert Russland mehr als 40 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases. Da Pfalzgas als Netzbetreiber in die deutsche Erdgas-Infrastruktur und in den europäischen Erdgasverbund eingebunden ist, bestehen hier bezüglich der Verfügbarkeit insofern für alle Gasnetzbetreiber die gleichen internationalen Abhängigkeiten. Sollten die Lieferungen aus Russland kurzfristig ausfallen, wäre dies eine große Herausforderung für die deutsche Erdgasversorgung.
Wie sichert Deutschland die Versorgung?
Deutschland und Europa setzen auf einen breiten Liefermix: Die große Anzahl an Bezugsquellen und -wegen ermöglichen es eventuelle Engpässe in der Gasversorgung auszugleichen. Hinzu kommt die sehr gute Gasspeicher-Infrastruktur insbesondere in Deutschland. Das europäische Gasverbundnetz, das in den letzten Jahren stärker ausgebaut wurde, ermöglicht zudem den Gasaustausch innerhalb Europas.
Welche Alternativen gibt es noch, Deutschland mit Erdgas zu versorgen?
Aktuell kommt verstärkt verflüssigtes Erdgas (Liquid Natural Gas, kurz LNG) mithilfe von Großtankern aus den USA und Katar zu uns. Diese Länder sind zusammen mit Australien die größten Flüssiggasanbieter. Sie können ihre Angebotsmenge kurzfristig ausweiten, um auf Nachfrageschwankungen zu reagieren. Für eine mittelfristige Versorgungssicherheit sind der massive Ausbau erneuerbarer Energien, einer diverseren Lieferstruktur und das Hochfahren von Wasserstoff wichtig. Wir müssen unabhängig von fossilen Energieträgern werden. Hemmnisse bei der Genehmigung und Realisierung von Projekten mit erneuerbaren Energien müssen der Vergangenheit angehören.
Wie voll sind die Gasspeicher?
Die deutschen Gasspeicher sind kurz vor Winterende auf einem vergleichbaren Füllstand wie in den Vorjahren.
Kann die Erdgasversorgung auch im nächsten Winter gesichert werden, wenn Russland kein Gas mehr liefert?
Fallen die Importe aus Russland weg, brauchen wir zusätzliche Strukturen und den starken europäischen Verbund. Je besser die Gasversorgung diversifiziert wird, desto besser kann sich die Energiewirtschaft auf die Situation einstellen. Eine Analyse des BDEW zeigt, dass sich Stand heute rund 50 Prozent des russischen Erdgases kurzfristig einsparen oder substituieren lassen. Das entspricht etwa 20 Prozent des Jahresgasbedarfs in Deutschland. Im Wissen, dass ein Embargo nur mit erheblichen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft einhergeht, arbeitet die Energiewirtschaft mit Hochdruck daran, mittel- bis langfristig unabhängig von fossilen Rohstoffen und damit auch von russischen Importen zu werden.
Wie werden sich die Preise für Erdgas entwickeln?
Da die Energiepreise von vielen verschiedenen Faktoren abhängen, können grundsätzlich keine Prognosen zur ihrer Entwicklung gemacht werden. Aber natürlich ist der Druck auf die Strom- und Gaspreise aufgrund des Krieges in der Ukraine enorm. Hinzu kommt, dass die Großhandelspreise bereits vor Kriegsausbruch auf einem außergewöhnlich hohen Niveau lagen. Das verteuert für die Energieversorger die Beschaffung von Strom und Gas ganz erheblich. Die Politik muss hier alle Optionen prüfen, wie die Bürgerinnen und Bürger bei steigenden Preisen entlastet werden können. Unabhängig davon sind unsere Bestandskunden mit Sonderverträgen (die Mehrzahl unserer Kunden) aktuell von weiteren Preiserhöhungen nicht betroffen. Diese Preise gelten grundsätzlich unverändert bis zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit (in der Regel zumindest bis 31.12.2022). Hier wird sich der aktuelle Preisanstieg an den Beschaffungsmärkten voraussichtlich erst ab 2023 bemerkbar machen. Die Beschaffung für die Kunden in der gesetzlichen Grund- und Ersatzversorgung erfolgt hingegen kurzfristiger, da die Verträge seitens der Kunden jederzeit gekündigt werden können. Daher sind hier, anders als in den Sonderverträgen mit fester Laufzeit, in denen die Beschaffung längerfristig erfolgen kann, auch kurzfristigere Preisänderungen nicht ausgeschlossen. Preisänderungen können hierbei allerdings immer nur zum Monatsersten mit einer sechswöchigen Vorankündigung erfolgen. Dennoch sind auch unsere Preise in der Grundversorgung aktuell immer noch deutlich günstiger, als vergleichbare Wettbewerbsangebote.
Welche Rolle spielt LNG?
Verflüssigtes Erdgas kann weltweit transportiert werden und ermöglicht damit den Handel mit vielen Partnern. Mit seiner logistischen Flexibilität stärkt LNG die weltweite Versorgungssicherheit. Aktuell gibt es um die 37 LNG-Terminals in Europa, 26 davon in der EU. Deutschland, das noch keine LNG-Terminals hat, treibt deren Bau nun schneller voran. Über die Niederlande und über das europäische Gasnetz kann Deutschland kurzfristig mit LNG beliefert werden. Trotz der aktuell gestiegenen europäischen Nachfrage sind die Kapazitäten der europäischen LNG-Terminals noch nicht ausgelastet. Um in den nächsten Jahren unabhängiger von russischem Erdgas zu werden, sollten neben Diversifizierung und Absicherung der Lieferketten der Ausbau zusätzlicher Infrastrukturen wie etwa LNG-Terminals (oder perspektivisch auch FSRUs – Floating Storage and Regasification Units) im Fokus stehen. LNG-Terminals können perspektivisch auch einen Beitrag leisten, um die Importstruktur für grüne Moleküle aufzubauen. Die Unternehmen brauchen allerdings Investitionssicherheit und staatliche Unterstützung sowie die Perspektive einer mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Nutzung. Zu berücksichtigen bleibt, dass die Errichtung solcher zusätzlichen Infrastrukturen mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Bundesregierung sollte prüfen, inwieweit Planungs- und Genehmigungsverfahren für eine LNG-Infrastruktur deutlich beschleunigt werden können.
Wer wird versorgt, wenn das Gas knapp wird?
Zunächst einmal verpflichtet das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) die Gasnetzbetreiber, vorgeschriebene Maßnahmen zur Gewährleistung einer sicheren Versorgung mit Gas zu ergreifen. Gibt es beispielsweise nicht genügend Erdgas, ist es grundsätzlich das Ziel, alle Kundengruppen möglichst lange weiter zu versorgen. Allerdings haben sogenannte geschützte Kunden (insbesondere Haushaltskunden und medizinische Einrichtungen) bei der Versorgung Vorrang vor anderen Verbrauchern.
Wer zählt zu den geschützten Kunden?
Das EnWG legt den Kreis der geschützten Kunden fest. Dazu zählen folgende Gruppen:
- Haushaltskunden
- Letztverbraucher (kleine und mittlere Unternehmen), deren Verbrauch über standardisierte Lastprofile (SLP) gemessen wird.
- Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und stationäre soziale Einrichtungen
- Justizvollzugsanstalten
- Feuerwehr, Polizei und Bundeswehreinrichtungen
- Fernwärmeanlagen, die Wärme an geschützte Kunden liefern, sofern sie keinen Brennstoffwechsel vornehmen können.
Welche Rolle spielt Gas für die Stromgewinnung?
Gaskraftwerke erzeugen Strom. Sie emittieren bis zu 70 Prozent weniger CO2 als Braunkohlekraftwerke und leisten damit schon heute einen Beitrag zur Senkung der Treibhaus-Emissionen. 2021 wurden 15,2 Prozent des Stroms mit Gas erzeugt. Die Gaskraftwerke lassen sich mit wenig Aufwand auch mit klimaneutralem Gas betreiben. Sie sind der ideale Partner für die erneuerbaren Energien, denn sie sind kaum störanfällig für extreme Wetterbedingungen und können die volatile Stromerzeugung aus Wind und Sonne stabil und flexibel ausgleichen.
Ist die Energiewende in Gefahr, wenn Gaskraftwerke als Brückentechnologie nur noch eingeschränkt arbeiten können?
Wie sich der Ukrainekrieg auf die deutsche Energiepolitik auswirkt, ist aktuell nicht absehbar. Für den Ausstieg aus der Kohleverstromung brauchen wir in einer Übergangszeit noch Erdgaskraftwerke und dauerhaft wasserstofffähige Gaskraftwerke, die die gesicherte, regelbare Leistung als Partner der erneuerbaren Energien bereitstellen.
Welche Konsequenzen hätte ein kurzfristiger Importstopp für russisches Erdgas?
Sollten Erdgas-Liefermengen ausbleiben und nicht durch andere Routen ersetzt werden, so werden Lastabschaltungen zuerst in der Industrie vorgenommen, um Haushalte und andere geschützte Kundengruppen mit Gas versorgen zu können. Es ist verständlich, dass angesichts des Ukraine-Krieges drastische Forderungen aufgestellt werden. Allerdings wären die Konsequenzen für Europa, und insbesondere Deutschland, erheblich und die daraus resultierenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen nicht absehbar, da alternative Beschaffungsrouten für Erdgas kurzfristig nicht leistungsfähig genug wären. Auch wenn aus der volkswirtschaftlichen Gesamtperspektive die Wertschöpfung in den erdgasbetriebenen Prozessschritten vermeintlich gering erscheint, so sind erhebliche Sekundäreffekte bei einem kurzfristigen Stopp der russischen Gaslieferungen zu befürchten. So dient Erdgas u. a. der Prozesswärmeerzeugung und wird auch als Einsatzstoff genutzt. Erdgas ist z. B. Grundstoff für die Düngemittelproduktion und ist daher sehr wichtig für Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Erdgas wird auch genutzt, um Prozessdampf zu erzeugen, so z. B. in den deutschen Raffinerien. Ohne Gas käme es also zu einer Mangellage von Diesel und Benzin und auch die Automobilproduktion würde stoppen, da z. B. kein Glas für Fahrzeugscheiben mehr hergestellt werden könnte. Erdgas bildet zudem eine wesentliche Säule der deutschen Stromerzeugung und auch die Hälfte der Eigenstromerzeugung der Industrie erfolgt mit Erdgas. Sollte ein Embargo auf andere Energieträger, also russisches Öl und Kohle ausgedehnt werden, würde dies die Situation zusätzlich anspannen.
Welche Wege aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas gibt es und wie können die Klimaziele bei gleichzeitiger Absicherung des deutschen Gassystems erreicht werden?
Die Abhängigkeit von russischem Erdgas und anderen fossilen Energieträgern kann bereits mittelfristig durch einen ambitionierten Hochlauf grüner, klimaneutraler Gase ersetzt werden. Die heimische Produktion von erneuerbaren Gasen ist dabei ein wichtiger Baustein, um die Abhängigkeit zu senken. Daher ist jetzt die Zeit, die Weichen für Wasserstoff und klimaneutrale Gase zu stellen. Die deutsche Gaswirtschaft hat diesen Weg bereits unwiderruflich eingeschlagen und ist bereit, weiter massiv in die Klimaneutralität zu investieren. Die Vorarbeiten sind bereits geleistet – wir können sofort handeln. Das Gasfach ist von diesem Weg überzeugt, denn wir haben
- das wissenschaftliche Knowhow für eine sichere, sozialverträgliche und klimaneutrale Energieversorgung.
- bereits mit erfolgreichen Reallaboren die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass enorme Mengen an benötigtem grünem Wasserstoff und Biomethan in heimischer Erzeugung zur Verfügung gestellt werden können.
- mit über 500.000 Kilometern Gasleitungen die passende Infrastruktur, um in Zukunft 100 Prozent Wasserstoff (aus erneuerbaren Quellen) und andere klimaneutrale Gase transportieren und speichern zu können. Die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur spart Kosten in Milliardenhöhe und schont die Umwelt.
- bereits in die Wasserstoff-Zukunft investiert. Die Unternehmen der Branche haben Projekte im Umfang von mehreren 100 Millionen Euro gestartet, um in Deutschland Wasserstoff zur Marktreife zu bringen und so schnell wie möglich zu einem Energieträger zu machen, der den Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung bezahlbar und versorgungssicher ermöglicht und absichert. Dazu gehört auch die Beteiligung der Pfalzgas an der PFI Bioraffinerietechnik GmbH mit ihren Aktivitäten am Energiepark in Pirmasens-Winzeln. Über eine bestehende biotechnologische Methanisierungsanlage wird bereits aus Wasserstoff und Biogas erzeugtes „grünes Gas“ in das Erdgasnetz vor Ort eingespeist und in der Verwaltung der Pfalzgas bilanziell zur Wärme- und Kälteerzeugung genutzt. Zukünftig wird auch der Wasserstoff im Rahmen eines optimierten Elektrolyseverfahrens auf der nahe gelegenen Kläranlage vor Ort erzeugt werden.